Donnerstag, 6. Mai 2010 | |

Autor des Monats Mai 2010: Elfriede Jelinek

Elfriede Jelinek wurde am 20. Oktober 1946 in Mürzzuschlag (Steiermark) als Tochter des Chemikers Friedrich Jelinek und seiner aus dem Wiener Großbürgertum stammenden, in einem Industrieunternehmen angestellten Ehefrau Olga geboren. "Ihr Vater war jüdischer Herkunft und überlebte den Holocaust nur, weil er als Chemiker mit kriegswichtigen Forschungsaufgaben betraut war. Elfriede Jelinek wuchs in Wien auf, erhielt auf Betreiben der Mutter bereits als Kind Musikunterricht und kam als Dreizehnjährige ans Konservatorium. Parallel zur Musik studierte Elfriede Jelinek nach der Reifeprüfung (1964) einige Zeit Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften – bis sie es wegen ihrer Angstzustände nicht mehr wagte, das Elternhaus zu verlassen. Erst als ihr Vater 1969 in einer psychiatrischen Klinik geistig umnachtet gestorben war, erholte sie sich etwas und schloss 1971 ihr Musikstudium mit einem Organistendiplom ab. Drei Jahre später heiratete sie Gottfried Hüngsberg, blieb aber auch mit ihrer Mutter weiterhin zusammen: Olga Jelinek lebte bis zu ihrem Tod mit sechsundneunzig Jahren im Jahr 2000 im selben Haushalt.

Mit einundzwanzig veröffentlichte sie ihre ersten Gedichte. Elfriede Jelinek schrieb auch Erzählungen, Romane, Hörspiele, Drehbücher und Bühnenstücke.

In ihren Werken untersucht Elfriede Jelinek, wie die vorherrschende kapitalistische Lebensauffassung das Verhalten prägt. Sie setzt sich für die unterprivilegierten Schichten ein und versucht, das Bewusstsein der Benachteiligten zu verändern, ihnen die Augen zu öffnen für die Manipulation, der sie ausgesetzt sind. Die Unterdrückung der Frau betrachtet sie als Teil dieses größeren Zusammenhangs. Ihre provokante Kritik macht sie vor allem am Beispiel der österreichischen Gesellschaft fest und verbot aus Protest gegen die politischen Verhältnisse sogar einige Zeit die Aufführung ihrer Stücke in Österreich.

Seit der Heirat lebte Elfriede Jelinek abwechselnd in Wien und München. Der literarische Durchbruch gelang ihr 1975 mit dem Roman die liebhaberinnen, der marxistisch-feministischen Karikatur eines Heimatromans. Vor allem in den 70ern entstanden zahlreiche Hörspiele.
Der erste große Skandal um Jelinek wurde 1985 durch die Uraufführung von Burgtheater heraufbeschworen. Das Drama setzt sich mit der mangelhaften NS-Vergangenheitsbewältigung in Österreich auseinander, mit der Vergangenheit der Schauspielerin Paula Wessely im Mittelpunkt.

1983 erschien der Roman Die Klavierspielerin. In den Rezensionen überwog jedoch die biografische Deutung. 1989 folgte mit Lust das nächste aufsehenerregende und zugleich Jelineks meistverkauftes Werk. Jelineks Auseinandersetzung mit den patriarchalischen Machtverhältnissen auch im Bereich der Sexualität wurde im Vorfeld als „weiblicher Porno“ skandalisiert.

Nachdem das Theaterstück Raststätte eine ähnliche Rezeption wie Lust erfuhr und nach persönlichen Angriffen auf die Autorin auf Wahlplakaten der Wiener FPÖ 1995 gibt Jelinek ihren Rückzug aus der österreichischen Öffentlichkeit bekannt und erlässt ein Aufführungsverbot ihrer Stücke für Österreich.

Am 7. Oktober 2004 gab Horace Engdahl, der Ständige Sekretär der Schwedischen Akademie, in Stockholm bekannt, dass Elfriede Jelinek den Nobelpreis für Literatur erhalten werde. Als Begründung gab er an, die österreichische Schriftstellerin entlarve "mit einzigartiger Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht sozialer Klischees" und erschüttere "mit ihrem Zorn und mit Leidenschaft ihre Leser in den Grundfesten". Elfriede Jelinek kündigte sogleich an, dass sie nicht zur Preisverleihung nach Schweden reisen werde. Der Preis wurde ihr dann schließlich privat in Österreich überreicht.

Aus Protest gegen die Verleihung des Literaturnobelpreises an Elfriede Jelinek zog der emeritierte Sprachprofessor Knut Ahnlund (*1923) sich im Oktober 2005 nach zweiundzwanzig Jahren aus der Schwedischen Akademie zurück.
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